.st0{fill:#FFFFFF;}

Datenschutzwidrige Werbe-E-Mail

Wichtige Datenschutz-Themen von Profis aufbereitet

Datenschutzwidrige Werbe-E-Mail

Werbenachrichten gelten als besonders effektive Instrumentarien, um möglichst schnell, effizient und kostengünstig Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Hierbei ist die Reichweite ein großer Gewinn für Unternehmen. Oftmals stoßen diese Werbenachrichten auf bloße Ignoranz seitens der Verbraucher, sodass diese als einfachen „Spam“ abgetan werden und im virtuellen Papierkorb landen.

Doch spätestens seitdem das AG Pfaffenhofen a.d. Ilm zugunsten eines Betroffenen mehrere Werbenachrichten als rechtswidrig qualifizierte und dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von von € 300,- zusprach, sind Unternehmen vor dem unbedarften Versand derartiger Werbenachrichten gewarnt.


Das Wichtigste in Kürze:

  • Nach Art. 82 DSGVO kann dem Empfänger einer Werbenachricht ohne vorherige Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO sowie § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ein Schmerzensgeldanspruch zustehen.
  • Nach Erwägungsgrund 75 ist der persönliche Kontrollverlust sowie das „ungute Gefühl“ des digitalen Beobachtetwerdens ausdrücklich als Schaden vorgesehen.
  • Bis zur Entscheidung des EuGH bleibt die Rechtspraxis bezüglich des Schadensumfangs und der Bemessung uneinheitlich.

    1. Hintergrund

    Die Beklagte – ein Unternehmen, das Schutzmasken produziert und vertreibt – sendete dem Kläger ohne vorherige Einwilligung eine Werbemail an sein anwaltliches E-Mail-Postfach. Daraufhin verlangte der Kläger darüber informiert zu werden, wann seine E-Mail-Adresse gespeichert wurde und wie man an diese gelangte. Zusätzlich bat der Kläger um Übersendung einer strafbewährten Unterlassungserklärung.

    Die Beklagte teilte dem Kläger mit, sie habe die Adresse manuell gespeichert als sie nach Rechtsberatung recherchierte. Nachdem keine Unterlassungserklärung seitens des Unternehmens erfolgte, forderte der Kläger Schmerzensgeld nach Art. 82 DSGVO. Das Postfach habe sich noch mit weiteren Werbemails gefüllt. Der Kläger trug vor, dass ihn die Zusendung dieser Werbenachrichten sehr belastet habe und er diese als unliebsam empfand.


    2. Entscheidungsgründe

    Das AG Pfaffenhofen entschied zugunsten des Klägers. Die Beklagte wurde verurteilt, € 300,- Schmerzensgeld zu zahlen. Dem beklagten Unternehmen werden mehrere datenschutzrechtliche Verstoße zur Last gelegt:

    Zum einen verstieß es gegen das Einwilligungserfordernis des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO hinsichtlich des Betroffenen. Auch nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG wäre eine Einwilligung erforderlich gewesen. Grundsätzlich dürfen Marktakteure durch Direktmarketing nicht in unzumutbarer Weise belästigt werden, § 7 Abs. 1 UWG.

    Eine unzumutbare Belästigung ist bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post dann anzunehmen, wenn keine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Die Ausnahme aus § 7 Abs. 3 UWG, nach der eine unzumutbare Belästigung nicht vorliegt, wenn der Unternehmer in Zusammenhang mit dem Verkauf der Ware die Postadresse des Kunden erhielt, ist vorliegend nicht einschlägig. 

    Des Weiteren verstieß die Beklagte gegen die Informationspflichten aus Art. 14 sowie das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO.

    Verantwortliche müssen aufgrund der gesteigerten Informationspflichten alle von einer Datenverarbeitung Betroffenen in präziser, verständlicher und leicht zugänglicher Form darüber informieren, was mit den Daten geschieht.

    Die Beklagte erteilte dem Kläger erst vor Gericht Auskunft über die Herkunft der Mail-Adresse, was nach Ansicht des Gerichts nicht genügt. Auch die Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO, nach der zu prüfen ist, „ob eine betroffene Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung und angesichts der Umstände, unter denen sie erfolgt, vernünftigerweise absehen kann, dass eine Verarbeitung für diesen Zweck erfolgen wird“ kann nicht weiterhelfen. Der Kläger stand in keiner Beziehung zu der Beklagten. Er teilte seine Mail-Adresse auch nicht in einer Weise mit, die eine solche Verwendung absehbar gemacht hätte.

    3. Schadensbemessung durch das AG Pfaffenhofen

    Zudem ist fraglich, wie das Gericht die Schadenssumme i.H.v. € 300,- festlegte. Der Schadensbegriff ist grundsätzlich weit zu verstehen. Klare Konturen zu seiner Bestimmung gibt es bislang nicht.

    Vorliegend zog die Richterin zur Begründung des Geldbetrags das beim Kläger hervorgerufene „ungute Gefühl“ heran, welches durch die Werbemail ausgelöst wurde. „Der Schaden kann auch bereits etwa in dem unguten Gefühl liegen, dass personenbezogene Daten Unbefugten bekannt geworden sind, insbesondere wenn nicht ausgeschlossen ist, dass die Daten unbefugt weiterverwendet werden, auch bereits in der Ungewissheit, ob personenbezogene Daten an Unbefugte gelangt sind. Unbefugte Datenverarbeitungen können zu einem Gefühl des Beobachtetwerdens und der Hilfslosigkeit führen, was die betroffenen Personen letztlich zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiert.“

    Einen solchen Kontrollverlust bezeichnet Erwägungsgrund 75 ausdrücklich als Schaden. Auch die Definition der Erheblichkeitsschwelle lässt das Urteil missen. Dies ist eine deutliche Abkehr von der oberinstanzlichen Rechtsprechung. Darin wurde bisher stets das Überschreiten einer gewissen Sperrgrenze zur Begründung eines Schadens gefordert.


    4. Ausblick

    Anhand des ergangenen Urteils wird abermals deutlich, dass erhebliche Uneinigkeiten bezüglich der Schadenslage und dessen Bemessung bestehen. Insbesondere die Uneinheitlichkeit gewährleistet es nicht, klare Prognosen über die Höhe der Schadenersatzpflicht zu treffen.

    In absehbarer Zeit wird allerdings der EuGH zu den konkreten Problemen des Schadensersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO Stellung beziehen. Insofern ist auf eine Vereinheitlichung der Spruchpraxis zu hoffen. Bemerkenswert ist überdies, dass bereits ein ungutes Gefühl, nämlich ein Gefühl der Hilfslosigkeit und des digitalen Beobachtetwerdens durch Erfassung von Mail-Adressen des Betroffenen eine Schadenslage und somit Schadensersatzansprüche begründen kann.

    Hierauf ist bei dem Versand von Werbemails zu achten. Verantwortliche Stellen sind daher gut beraten, stets Einwilligungen im Sinne des Art. 6 DSGVO einzuholen, präzise auf etwaige Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO zu reagieren und Informationspflichten nicht zu vernachlässigen.

    Datenschutzschulungen für Ihre Mitarbeiter?


    Praxisnahe Online Schulungen für Datenschutz und Cybersecurity. DSGVO konform und zertifiziert.