LG Stuttgart: Kein DSGVO-Schadensersatz bei personalisierter Briefwerbung
In einem für die Datenschutzpraxis interessanten Urteil (Az. 17 O 807/21) hat das Landgericht Stuttgart zur personalisierten Briefwerbung Stellung genommen. Neben den Voraussetzungen einer Datenverarbeitung auf Grundlage eines berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO hat sich das Gericht mit Frage befasst, ob personenbezogene Daten zur datenschutzkonformen Umsetzung von Werbewidersprüchen in eine sog. Blacklist aufgenommen werden dürfen.
Das Wichtigste in Kürze
1. Postalische Werbung an die Wohnanschrift
Nachdem der Kläger an seiner privaten Wohnanschrift postalische Werbung von der Beklagten erhalten hat, forderte er die Beklagte gem. Art. 17 DSGVO auf, sämtliche personenbezogenen Daten zu seiner Person zu löschen. Darüber hinaus verlange er vom beklagten Unternehmen, das im streitigen Fall als Dienstleister den Versand von Werbeschreiben für ein Versicherungsunternehmen durchgeführt hat, Auskunft im Hinblick auf die Verwendung seiner Daten. Im Ergebnis machte der Kläger einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO gegen die Beklagte geltend, da er die Auffassung vertrat, sein Löschanspruch sei nicht vollständig von der Beklagten erfüllt worden, da diese ihn lediglich auf eine sog. Blacklist (Auflistung von Kunden, die von künftigen Werbesendungen ausgeschlossen werden sollen) eingetragen hat und nicht, wie vom Kläger erwartet, eine Löschung sämtlicher Daten vorgenommen wurde. Zudem vertrat er in seiner Klage die Ansicht, dass für das Vorliegen einer rechtmäßigen Direktwerbung im Sinne der DSGVO eine bereits bestehende Kundenbeziehung zwingende Voraussetzung sei.
2. Urteil des LG Stuttgart
Die Richter des LG Stuttgart sahen im vorliegenden Fall keinen schadensersatzpflichtigen DSGVO-Verstoß und haben die Klage abgewiesen.
Berechtigtes Interesse des Werbenden
Nach Ansicht des Gerichts war sowohl die postalische Werbung, als auch die der Werbung zugrunde liegende Verarbeitung der personenbezogenen Klägerdaten, gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO rechtmäßig. Demgemäß ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn der Verantwortliche oder ein Dritter ein berechtigtes Interesse an dieser hat. Im streitigen Fall konnte das beklagte Dienstleistungsunternehmen hinreichend darlegen, dass der Verarbeitung der personenbezogenen Klägerdaten zum Zwecke der Briefwerbung sowohl ein berechtigtes Interesse der Beklagten („Verantwortlicher“) als auch des Versicherungsunternehmens („Dritter“) zugrunde lag. Denn beide haben ein wirtschaftliches Interesse an der Gewinnung neuer Kunden und der Pflege bestehender Kundenbeziehungen mithilfe von Direktwerbemaßnahmen.
Kein überwiegendes entgegenstehendes Interesse des Betroffenen
Im Übrigen konnte kein überwiegendes entgegenstehendes Interesse des Klägers, keine Werbung zu erhalten, festgestellt werden. Da vorliegend höchstens von einem gleichwertigen Interesse des Verantwortlichen bzw. des Dritten und des Betroffenen auszugehen sei, durfte die Werbung sowie die ihr zugrunde liegende Datenverarbeitung stattfinden.
In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die DSGVO das wirtschaftliche Interesse an Direktwerbemaßnahmen als schützenswert erachtet.
Direktwerbung auch bei Ansprache von Neukunden zulässig
Für die Ansicht des Klägers, die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von postalischer Direktwerbung erfordere eine bereits bestehende Kundenbeziehung, gebe es keine Stütze im Gesetz, sodass auch Direktwerbemaßnahmen zum Zwecke der Neukundengewinnung zulässig sein können. Im Übrigen differenziert der Gesetzgeber in Erwägungsgrund 47 S. 7 DSGVO im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung zum Zwecke der Direktwerbung nicht zwischen verschiedenen Empfängern.
Datenverarbeitung zur Umsetzung von Werbewidersprüchen zulässig
Auch die Datenverarbeitung im Hinblick auf die Übertragung der Klägerdaten auf eine sog. Blacklist, um ihn in Zukunft von Werbesendungen auszuschließen, hielten die Richter für rechtmäßig, da eine solche Eintragung gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c) DSGVO eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt, die zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (Hier: Der Umsetzung des Werbewiderspruchs) erforderlich ist. Letztlich lag auch unter diesen Gesichtspunkten keine Datenschutzverletzung des Klägers vor.
3. Fazit
Das Urteil führt deutlich vor Augen, dass Werbewidersprüche zwingend berücksichtigt werden müssen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Dokumentation sowie um Schadensersatzansprüche zu vermeiden empfiehlt es sich, in diesem Zusammenhang eine sogenannte Blacklist anzulegen, in der sämtliche Werbewidersprüche festgehalten werden. Da die Speicherung personenbezogener Daten im Rahmen der Führung solcher Blacklists für die Erfüllung einer rechtlichen Pflicht aus der DSGVO erforderlich ist, ist sie gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c) DSGVO zulässig.